Sonntag, 15. Februar 2015

Grün, ja grün sind alle meine Kleider: Hilferuf eines Dorfes oder Bürger gegen Bürger?



„Hilferuf eines Dorfes“ titelte unlängst die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG, als sie von einer Öffentlichkeitsaktion der Bürgerinitiative Gatersleben mit Spruchbannern an markanten Punkten Gaterslebens berichtete.

Den seinerzeit schwer Getroffenen wird es wohl stets so vorkommen, es sei erst gestern gewesen, dass die Selke im Harzvorland wie alles Wasser aus dem Harz drohte, ganze Orte und Existenzen zu vernichten.
Das katastrophale Hochwasser vom Frühjahr 1994 wird wohl jedem in unauslöschbarer Erinnerung bleiben, der den Jahrhundertfluten
hilflos gegenüber stand.

Und so ringen Bürger und Politik seit 21 Jahren verständlicherweise um Wege und Mittel, Ähnliches für jede Zukunft auszuschließen.
Die Wahl der Mittel dafür ist nicht groß: Es bleibt wohl nur Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen. D. h. zum Beispiel eine Selke-Ufermauer in sensiblen Bereichen von Gatersleben oder aber das Bestreben, durch den Bau eines komplexen Rückhaltesystems mit Staumauer quer durch das Selke-Tal bei Meisdorf die Folgen jahrhundertelangen Siedlungsgeschehen an dem Vorharz-Flüsschen zu bekämpfen.

Künstliche Veränderungen des Gewässerverlaufs, Bebauung von ufernahen Hochwasser-Rückzugsflächen oder innerörtliche Überbauungen von Wasserreservoirs gehören dazu. Natürlich wusste man da nicht, welche Konsequenzen das haben würde. Wie auch.
Doch es ist geschehen und manches setzt sich heute fort, in dem Flutgrabensysteme nicht gepflegt oder ausgebaut werden bzw. weiter hydrologisch bedeutsame Areale versiegelt werden.

So stehen nun Bürger gegen Bürger: Mit der Bürgerinitiative „Rettet das Selketal“ und ihren Argumenten gegen die Bürgerinitiative „Pro Hochwasserschutz“, die z. B. in Gatersleben aktuell und kommunalpolitisch forciert ihre Anliegen plakatiert. Beide Lager versuchen nun, ihren Zielen landespolitisch mehr agierendes Gewicht zu verleihen, betreiben das, was man gemeinhin Lobbyismus nennt und lassen dabei auch manchen schrillen Ton ala „Die grünen Spinner!“ nicht aus.

Die auf überregionaler Ebene Verantwortlichen sind damit in einer komfortablen Lage. Sie müssen sich für nichts entscheiden, können je nach politischer Großwetterlage sich erst den einen und dann vielleicht den anderen öffnen, dabei kleine Schritte tun, die zwar Bemühen signalisieren, aber in der Sache nicht bewegen oder gar eine klare Entscheidung herbeiführen.

Für den weniger betroffenen Beobachter reduziert sich der Konflikt vor allem auf Planung oder Bau eines Hochwasserrückhaltesystem im Harz und dabei im Kern auf die Staumauer bzw. das Hochwasserrückhaltebecken bei Meisdorf. Ihm stellt sich dieses als Damm quer durchs Tal, der im Falle des Falles eine heranrollende Welle aufhalten soll, mit dem dahinterliegenden Flusstal selbst als Stauraum. Wer sich diesen Fall bildlich vorstellt, sieht eine Umweltkatastrophe. Falsch oder unzulässig simplifizierend?

Und er beobachtet so eine Art St. Florians-Prinzip. Verschone mein Haus und zünde das des Nachbarn an: Keine Hochwasserflut in Orten am Selkeunterlauf wie in Gatersleben, dafür aber „Land unter!“ für das Selketal. Kein Wasser in meinem kleinen Gewächshaus, dafür eben braune Brühe auf der Straße an der Selkemühle?
Ja klar, dass ist vereinfachend und möglicherweise sogar falsch, sicher, aber es ist die Wahrnehmung des Konflikts in der breiten Öffentlichkeit.

Das sollte man bedenken, wenn in der Hitze der politischen Diskussion um den Hochwasserschutz die Position der Gegenseite verbal rasch einmal verunglimpft wird und Oberflächliches an die Stelle fundierter Sachargumente tritt.

Leider zu oft.



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